Diagnose „Dyskalkulie“: Was Eltern wissen müssen

Aussagen wie „Aber ich kann doch kein Mathe“ bringen viele SchülerInnen leicht über die Lippen. Schließlich stellt das Fach Mathematik selbst für SchülerInnen, die grundsätzlich gute Schulleistungen in anderen Fächern erbringen, ein Problemfach dar. Dieses Problem nimmt allerdings ganz andere Dimensionen für Kinder an, die von einer sog. Rechenstörung bzw. einer Dyskalkulie betroffenen sind. In Zahlen ausgedrückt sind es in Deutschland etwa 3 bis 6% der Kinder im Schulalter, die mit einer Dyskalkulie zu kämpfen haben. Was in den Lernanfängen erst einmal harmlos klingt, kann auf lange Sicht verheerende Folgen haben: Daraus können sich Ängste vor dem Matheunterricht, den Matheunterrichtenden oder allgemein vor Zahlen und simplen Rechnungen im realitätsnahen Kontext entwickeln. Nachwirkend hadern betroffene Kinder mit sich selbst, bezeichnen sich in ihrer eigenen Unzufriedenheit als „dumm“ und büßen stark an Selbstbewusstsein ein. Die Lernmotivation geht immer weiter zurück und auch das Kind selbst wird immer zurückhaltender. Werden die Sorgen und Probleme des Kindes mit einer Dyskalkulie nicht ernstgenommen, kann diese auch im Erwachsenenalter noch bestehen bleiben und einflussreiche Folgen auf die Lebensumstände haben.

Dyskalkulie – eine Lernschwäche völlig unabhängig von Intelligenz

Dabei macht die Dyskalkulie (ebenso wie die Lese-Rechtschreibschwäche) auch nicht vor solchen SchülerInnen Halt, deren Schulleistungen und Intelligenztests im normalen bis guten Bereich liegen. Worauf die Rechenschwäche genau zurückzuführen ist, konnte die Forschung bislang nicht beantworten. Experten scheinen dennoch davon auszugehen, dass ein schlechteres Rechenverständnis genetisch bedingt sei, zumal das Eintreten von Dyskalkulie innerhalb von Familien vermehrt vorkommt. Anzunehmen sei auch, dass Besonderheiten in den Hirnfunktionen als Auslöser von Rechendefiziten ausgemacht werden können. Definiert wird die Rechenschwäche nach dem Klassifikationsschema ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation als „[…] eine Beeinträchtigung der Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar ist.“

Ein oft festgestelltes Problem bei Kindern mit einer Rechenschwäche ist ein fehlendes oder gering ausgeprägtes Verständnis für Mengenverhältnisse. Die Einordnung von größeren und kleineren Mengen wird zum Hindernis. Hinzukommt, dass das (Ab-)Zählen mit dem Rechnen vertauscht wird: Rechenschwache SchülerInnen könnten demnach drei 2-Cent-Münzen summa summarum für 3 Cent halten, weil sie abgezählt und nicht addiert wurden. Für viele der Kinder stellen Zahlen lediglich Symbole dar, deren Wert sie nicht zuordnen können.

Was sind typische Anzeichen einer Dyskalkulie?

– SuS brauchen sehr lange, um Aufgaben zu bearbeiten.

– SuS haben Schwierigkeiten, gehörte Zahlen korrekt aufzuschreiben und gelesene Zahlen zu benennen.

– Grundsätzliches Hadern mit dem Dezimalsystem („zweiundvierzig“ für „24“).

– Finger oder andere Rechenhilfen werden zum Rechnen bzw. zum Abzählen benötigt, außerdem werden die Zahlen immer wieder von Neuem rauf- und runtergezählt.

– Die Kinder haben Probleme beim Ablesen der Uhr und beim Rechnen mit Geld.

– Mengen- und Größenverhältnisse werden häufig in ein falsches Verhältnis zueinander gesetzt.

– Wenig oder kein Verständnis für die mathematische Logik.

– Es kommen Verwechslungen bei den Rechenarten vor.

– Textaufgaben können nicht in die Rechensprache übersetzt werden.

Diagnose Dyskalkulie: Wie damit umgehen?

Besteht ein Verdacht auf Dyskalkulie, so kann die Diagnostik von einem Kinder- und Jugendpsychotherapeut vorgenommen werden. Diese besteht aus einem Eltern-Vorgespräch, einem standardisierten Intelligenztest (um auszuschließen, dass es sich um andere Förderbedarfe wie etwa eine Minderbegabung handelt) und dem eigentlichen standardisierten Rechentest. Wie bereits im Blogbeitrag zur Lese- und Rechtschreibschwäche darauf hingewiesen wurde, sollten auch weitere ärztliche Untersuchungen in Erwägung gezogen werden, um andere Ursachen auszuschließen.

Doch wie kann man sein rechenschwaches Kind innerhalb- und außerhalb der Schule bestmöglich unterstützen, ohne es zu überfordern? Wichtig ist, dass eine Förderung ganz individuell und nah an den Bedarfen des Kindes erfolgen muss, da jede Rechenstörung ganz anders zum Ausdruck kommt und ausgeprägt ist. Leider plagen die meisten betroffenen SchülerInnen Selbstzweifel, weshalb es für Eltern umso wichtiger ist, ihr Kind ggf. auch mental wieder aufzubauen. Hierbei ist es sinnvoll, sich mit dem Kind gemeinsam auf seine Stärken zu konzentrieren und ihm langsam, aber sicher zu den ersten kleinen Lernerfolgen zu verhelfen. Allgemein geht es darum, mehr Zeit und Geduld in die Förderung und in den rücksichtsvollen Umgang mit dem Kind zu investieren. Schließlich kann es sein, dass mögliche Defizite von Grund auf – beginnend mit den Basiskompetenzen – in den Blick genommen werden müssen! Bei einer stärker ausgeprägten Dyskalkulie kann daher der Gang zu einem Experten/einer Expertin die beste Option sein. Im jungen Alter und in Fällen, wo eine Matheförderung akute Lerndefizite ausgleichen kann, kann auch eine qualifizierte Nachhilfe „Erste Hilfe“ leisten. Gleiches gilt für SchülerInnen, die eine Dyskalkulietherapie erfolgreich hinter sich gebracht haben und weiterhin eine außerschulische Unterstützung wünschen.